Die Arbeit von Reinigungspersonal steht in Hinblick auf die Sichtbarkeit in einem komplexen Verhältnis: Zwar soll alles sichtlich sauber sein, die Arbeitenden selbst aber sollen unsichtbar bleiben. Dieses Los trifft auch Hotelreinigungskraft Eve aus Lila Avilés' La Camarista (2018), welche durch ihren Job in Einsamkeit gedrängt wird. Harald Schöny, Student an der Wiener Romanistik erzählt, wie die Isolation der Protagonistin filmtechnisch umgesetzt wird, mit welchen Schwierigkeiten er bei dieser (seiner ersten) Filmanalyse konfrontiert war und von dem Projekt vistazo, welches es sich zur Aufgabe macht, eine ebenfalls häufig unsichtbare Arbeit, nämlich die Forschung von Studierenden, sichtbar zu machen (Interview: Stefanie Mayer).
Als Frau mit algerischem Migrationshintergrund schreibt Nina Bouraoui aus einer doppelt marginalisierten Position. Wie lassen sich Identitäten und Erinnerungen schriftstellerisch ausdrücken in literarischen Strukturen, die von heteronormativen und eurozentrischen Traditionen durchzogen sind? Sophia Schnack, post doc an der Universität Wien, profiliert anhand des Romans Mes mauvaises pensées (2015, Prix Renaudot) die körperliche Schreibweise als Möglichkeit der Infragestellung bestehender Machtstrukturen. (Interview: Margot Lachkar)
Kolonialistische Diskurse und Strategien des Otherings durchziehen im Frankreich des 19. Jahrhunderts nicht nur die politischen Debatten, sondern hinterlassen ihre Spuren in sämtlichen Bereichen des lebensweltlichen Alltags. Dies macht sich auch in der Kinder- und Jugendliteratur bemerkbar, für die die Verhandlung des politischen und gesellschaftlichen Zusammenlebens zu jener Zeit eine zentrale Rolle spielt. Tamara Lampl, Studentin des Master Romanistik der Universität Wien, erklärt am Beispiel des Jugendbuchs Perlette (1887) von Jeanne Cazin, in welcher Form sich kolonialistische Machtstrukturen literarisch artikulieren können. (Interview: Teresa Hiergeist)
Kaum etwas hat unsere Gesellschaft in den letzten Jahren so sehr geprägt wie die Corona-Pandemie. Kein Wunder, dass sie auch ihre Spuren in Literatur und Kino hinterlassen hat. Dr. Julia Obermayr, Mitarbeiterin am Projekt 'Corona Fictions' der TU Graz, erklärt, welche gesellschaftlichen und kulturellen Themen die Pandemie aufgeworfen hat und mittels welcher Ästhetiken sie zur Verhandlung gelangen. (Interview: Teresa Hiergeist)
Durch den spatial turn in den Kultur- und Sozialwissenschaften wurde dem geographischen Raum auch innerhalb der Literaturwissenschaften wieder mehr Bedeutung beigemessen. Stefano Fogarizzu, postdoc an der Romanistik Wien, spricht über den sardischen Literatur- und Kulturraum als ‚Semiosphäre‘ und erklärt, weshalb es sich lohnt, Francesca Combosus _Sa bida est amore_ (1982) in der Literaturgeschichte Sardiniens zu berücksichtigen. (Interview: Stefanie Mayer)
Die rumänische Literatur und die Rumänistik erscheinen innerhalb der Romanistik häufig nur am Rande. Dies ist umso verwunderlicher mit Blick auf die reiche Geschichte der rumänischen Sprache, Kultur und Literatur mit ihren vielfältigen und kosmopolitischen Ausprägungen in der Moderne. Über die transnationale rumänische Avantgardeliteratur forscht Iulia Dondorici, die sich zugleich für eine Stärkung der Rumänistik innerhalb des romanistischen Fachpanoramas engagiert. (Interview: Benjamin Loy)
Die Geschichte als Konstruktion, die abhängig von ihren Quellen unterschiedliche Interpretationen über Vergangenheit zulässt oder ausschließt, ist seit Ende des 20. Jahrhunderts ein stark diskutiertes Thema. Einen Beitrag hierzu liefert Hayden Whites Begriff der ‚Historiophotie‘, welcher die Darstellung und Imaginierung von Geschichte durch audiovisuelles Material beschreibt. Insbesondere experimentelle Filme wie Nelson Pereira dos Santos‘ Como era gostoso o meu francês (1971) bergen in diesem Zusammenhang großes subversives Potenzial. Sophie Everson-Baltas bespricht mit uns, wie der Film als audiovisuelle Geschichtsrevision fungiert. (Interview: Stefanie Mayer)
Die Kulturgeschichte des Hundes reicht in Lateinamerika zurück bis in die Zeiten der Conquista, immer schon stand das Tier auch als Metapher für gesellschaftliche Verhältnisse. Für die Gegenwart untersucht Jörg Dünne Beispiele aus verschiedenen lateinamerikanischen Literaturen und Kulturen, in denen insbesondere Straßenhunde in der Verhandlung von Ideen des Zusammenlebens eine bedeutende Rolle spielen. (Interview: Benjamin Loy)
Die französischen Fiktionen verhandeln das Thema 'soziale Ungleichheit' gegenwärtig in vielfältiger Weise. Gerade soziologische Kategorien wie Klasse, Kapital und Habitus erweisen sich dabei für die Autor:innen als Leitkonzepte für die Entwicklung einer Ästhetik des Marginalisierten und Prekären. Gregor Schuhen, Lars Henk und Lea Sauer sprechen über ihr DFG-Projekt 'Bourdieus Erben. Zur Rückkehr der Klassenfrage in der französischen Gegenwartsliteratur' und über die spezifische Expressivität des Sozialen. (Interview: Teresa Hiergeist)
Die Unsichtbaren ein Gesicht verleihen, die ärmeren Schichten in den Fokus rücken - dieses Anliegen verfolgen Pier Paolo Pasolinis Filme. Cornelia Wild, Professorin für Romanische Literatur- und Kulturwissenschaft, insbesondere Theorie und Ästhetik an der Universität Siegen gibt anhand des Films Comizi d'amore (1965) Einblicke in die charakteristischen Traditionen und Ästhetiken dieses Klassikers der italienischen Filmgeschichte. (Interview: Teresa Hiergeist)
Das Kino ist heute eine überwiegend männliche Domäne. In seiner avantgardistischen Frühphase in den 1920er und 30 Jahren experimentierten allerdings auch einige Frauen mit dem Medium Film. Sabine Schrader, Universitätsprofessorin für romanische Literatur- und Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Italianistik, beleuchtet die institutionellen und kulturellen Rahmenbedingungen dieser besonderen Epoche und erklärt, wie sich der feministischen und queeren Blick der Regisseurin in ihrer Filmsprache niederschlägt. (Interview: Teresa Hiergeist)
Eine kleine, abgeschottete Inselkommune - das ist seit Thomas Morus der Sehnsuchtsort von Utopisten _par excellence_. Doris Dousat-Leitner, ehemalige Studentin der Wiener Romanistik, zeichnet das Scheitern einer anarchistischen Kommune in Adrián del Valles Náufragos (1926) nach und interpretiert dieses als Anstoß zur Reflexion über die Möglichkeiten eines alternativen gesellschaftlichen Zusammenlebens. (Interview: Stefanie Mayer)
Seit den 1980er Jahren sind HIV und Aids im öffentlichen Diskurs stark präsent. Dr. [Daniel Fliege](https://www.romanistik.hu-berlin.de/de/institut/mitarbeitende/fliege), postdoc an der HU Berlin, erklärt am Beispiel Hervé Guiberts, wie die französische Literatur diese Debatten aufgreift und dabei Themen wie Liebe, Tod, Tabu, Marginalisierung und Homophobie zur Verhandlung bringt. (Interview: Alex Lachkar)
Bei der Übersetzung eines Romans ändert sich nicht nur die Sprache, auch die Inhalte werden bisweilen an Wissensstände der Leser:innen, an kommerzielle Interessen oder an politische Haltungen angepasst. Dr. Esther Gimeno Ugalde, postdoc an der Universität Wien, zeigt anhand der katalanischen Erzählungen La meitat de l'ànima, Retorn a casa und Volver und den respektiven Selbstübersetzungen der Autorin Carme Riera ins Kastilische, welche Funktionen freie Übersetzungen haben und inwiefern die Abänderungen sogar zum ästhetischen Prinzip avancieren können. (Interview: Teresa Hiergeist)
Die Kategorie der 'sozialen Klasse' hat im französischen Gegenwartsdiskurs eine neuerliche Konjunktur. Dies manifestiert sich auch in literarischen Texten wie Annie Ernaux' La place (1983), Didier Eribons Retour à Reims (2009) oder Édouard Louis En finir avec Eddy Belleguele (2014). Christina Ernst, wissenschaftliche Mitarbeiterin am wissenschaftliche Mitarbeiterin des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin im Projekt 'Stadt, Land, Kiez. Nachbarschaften in der Berliner Gegenwartsliteratur', spricht über das autosoziobiografische Genre und seine ästhetischen und politischen Implikationen. (Interview: Alex Lachkar)
Wie wurde sexualisierte Gewalt dargestellt und kritisiert, als es noch keinen differenzierten Diskurs über Geschlechterverhältnisse gab und der Feminismus als soziopolitische Bewegung noch nicht existierte? Jovana Radonić gibt Einblicke in die Ergebnisse ihrer Bachelorarbeit, in der sie die Gender-Rollen in Lope de Vegas Fuente Ovejuna (1619) genauer untersucht hat.
Innerhalb der queeren Kulturtradition hat sich ab dem 20. Jahrhundert ein subversiver religionskritischer Diskurs etabliert, der sich vor allem durch seine Ambivalenz auszeichnet. Camilo Del Valle, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FAU Erlangen-Nürnberg, vergleicht die ästhetischen Strategien, auf die der Kolumbianer Fernando Vallejo und der Österreicher Josef Winkler hierfür rekurrieren. (Interview: Stefanie Mayer)
Kassenschlager und Klassiker wie Game of Thrones, Star Wars und Indiana Jones haben sich für spanische Drehorte entschieden. Ralf Junkerjürgen, Professor für Romanische Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg, erzählt, wie seine Reisen zu den Film-Locations seinen medienanalytischen Blick weiten und schärfen. (Interview: Teresa Hiergeist)
Neoliberale Tendenzen, die Wirtschaftskrise 2008 und zuletzt die Covid-Krise haben im Gegenwartsfrankreich für eine Verstärkung der sozialen Ungleichheit und eine zunehmende Prekarität der Beschäftigungsverhältnisse gesorgt. Befristete Verträge, Leiharbeit, erzwungene Teilzeitarbeit und Lohnkürzungen sind für zahlreiche Arbeitende zur Normalität geworden. Kein Wunder, dass auch Gegenwartsfilme dieses Thema aufgreifen, um dazu Position zu beziehen. Antonia Scheuringer, Studentin der Romanistik Wien, hat in einer Seminararbeit die Darstellung der Prekarität in En Guerre (2018) von Stéphane Brizé untersucht und berichtet von ihren Ergebnissen. (Interview: Stefanie Mayer)
Sie fungieren als Mittlerinnen zwischen Leben und Tod, Natur und Gesellschaft, Magie und Medizin und treten als Zeuginnen für Recht und Unrecht auf. Sabrina Grohsebner, Doktorandin an der Romanistik Wien, führt uns ein in die Welt der Hebammen im frühneuzeitlichen Spanien und legt dabei den Fokus auf die Frage, welche kulturellen Zuschreibungen und Funktionen die Hände der Hebamme haben. (Interview: Christina Wieder)
Jean-Pierre Melville hat mit seiner spezifischen Ästhetik den film noir entscheidend geprägt und ist im Zuge des Revivals des Genres seit den 1990er Jahren zur Kultfigur und zur Inspiration des zeitgenössischen Kinos geworden. Höchste Zeit, findet Anna Platzgummer, Studierende der Universität Wien, unter die Lupe zu nehmen, in welchen Filmen er seine Spuren hinterlassen hat. (Interview: Christina Wieder)
Was macht Inseln im Mittelmeer zu einem so reizvollen Gegenstand romanistischer Forschung? Die Linguistin Laura Linzmeier und der Literaturwissenschaftler Jonas Hock geben Einblicke in die Arbeit des Regensburger Insel-Netzwerks MS ISLA. (Interview: Benjamin Loy)
Was lässt sich aus einer Minute Psychothriller herausanalysieren? Jörg Türschmann, Professor für Französische und Spanische Literatur und Medien (Universität Wien) gibt Einblick in die Arbeitsweise der Medienwissenschaften, einer zentralen Säule des Romanistikstudiums an der Universität Wien. (Interview: Teresa Hiergeist)